DFG-Projekt "Menschenwürde und Existenzminimum"

Möglichkeiten der Legitimation und der Limitation eines normativen Minimalstandards


Im juristischen Diskurs wird regelmäßig ein Konzept der Menschenwürde ins Spiel gebracht, das den unantastbaren 'Kerngehalt' auch jener Grundrechte ausmache, die ansonsten gesetzlich einschränkbar sind. Analog greifen eine Reihe philosophischer Ethikkonzeptionen auf das Prinzip der Menschenwürde zurück, um innerhalb der Sphäre des Moralischen einen besonders zu achtenden Kern moralischer Ansprüche – etwa den der Menschenrechte - auszuzeichnen. Bei aller Kritik an der Idee der Menschenwürde wird ihr in bestimmten Argumentationskontexten offenbar eine zweifache normative Funktion zugetraut: 

Einerseits soll sie als 'Quelle' oder Legitimationsgrundlage normativer Minimalstandards dienen, andererseits soll sie Art und Umfang der damit einhergehenden Ansprüche auch auf rationale Weise begrenzen.

Die moralphilosophische Auseinandersetzung dreht sich bislang vornehmlich um die Herleitung oder Begründung basaler Ansprüche aus dem Prinzip der Menschenwürde. Das gegenläufige Problem der Limitation solcher Ansprüche wird umso dringlicher, je deutlicher 'Menschenwürde' auch als Grundlage sozialer Teilhabeansprüche interpretiert wird. Vor dem aktuellen Hintergrund hoher Flüchtlingszahlen gewinnt hier nicht zuletzt die jüngere Verfassungsrechtsprechung eine erhebliche soziopolitische und ökonomische Brisanz:

Galten Leistungsansprüche gerade wegen ihrer strukturellen Unbestimmtheit lange als nachrangig, so hat das Bundesverfassungsgericht mit der grundrechtlichen Verankerung eines subjektiven Rechts auf Gewährleistung menschenwürdiger Minimalexistenz 2010 und 2012 einen neuen Weg eingeschlagen. 

Kontakt

Dr. Jens Peter Brune

Institut für Philosophie
Baderstraße 6-7
17489 Greifswald

brunej@uni-greifswald.de 

Das Bundesverfassungsgericht erkennt inzwischen ein subjektives Grundrecht auf Gewährleistung menschenwürdiger Minimalexistenz an, das auch jenen zukommt, die sich als Flüchtlinge im Bundesgebiet aufhalten. Die Festlegung von Art und Umfang der Leistungen überlässt es der Gesetzgebung.

Das von der DFG finanzierte und auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt nimmt diese Entwicklung zum Anlass, in einer vergleichenden Untersuchung aktueller philosophischer Konzeptionen die stratifikatorische Leistungsfähigkeit des Begriffs der Menschenwürde am Beispiel des menschenwürdigen Existenzminimums zu klären. Zugleich soll damit ein genereller Beitrag zum Verständnis des Prinzips der Menschenwürde in seinen gängigen Deutungsvarianten, zur Aufdeckung seiner Implikationen und zu größerer Transparenz seiner ethischen und rechtlichen Verwendung geleistet werden.